Der Spiegel

Sieben Nächte, sieben Spiegel, sieben Sichtweisen und doch nur Glas. Es reflektiert. Ich gehe durch die sieben Tage der Läuterung und erkenne mich selbst in den Splittern. Sei das Kaleidoskop deiner zerbrochenen Wünsche.

Montag: Alles im Griff. Cool und nie gewagt. Das Haar am Morgen zum strengen Zopfe. Noch etwas Makeup? Nein. Nur Fingernägel feilen. Nicht hetzen, nicht eilen. Du bist gut so wie du bist. Ich schau ins Glas. Ein Gesicht voll Zuversicht.

Dienstag etwas Blut geleckt. Angeschnitten beim Rasieren. Der Tropfen perlt gerinnend über meine Wange. Weiche Watte will wischen. Der Riss wird verheilen. Verdammter Riss. Gigantisch, grauenhaft, Grotesk. „Stell dich nicht so an!“, höre ich meinen Großvater schreien. „Sei vorsichtig“, sag ich „Sei gut zu dir“. Sei besser. Scheiße und Dreck. Eine verzehrte Visage vorm schmierigen Spiegel. Federleichte Enttäuschung.

Mittwochs habe ich den Berg noch nicht erklommen. Da wuchert ein kühles Bierchen im Kühlschrank. Ich war beim Sport. Ich habe Durst. Drama vom Grabbeltisch der Videothek. Weiß jemand noch was das ist? Eine kleine Schwäche hat jeder. Brot, Bier und Barbeque. Tropfende Tränen. Rührende Szenen der Nostalgie. Ekelhaft. Was sind schon drei Bierchen. Eine selig säuselnde Figur im Spiegel. Würg. Müde. Schluss. Aus.

Bin ich schön? Tag des Donars. Angedeutetes Brodeln im Bauch. Wo ist die ferne Coolness? Das vierte Tor offenbart keine Märchenwelt. Das Nichts frisst Gehirnzellen im Promillesturm. Tränentanz. Augenringe. Spiegel. Fluch. Grandiose Mitte. Langweilig. Der eitle Pfau verwirft sein Federkleid und Selbstmitleid umarmt das vor Einsamkeit zitternde Kind. Schwäne sind wahre Biester: Makellos und aggressiv. Wunderschön der bunte Tod im Frühlingserwachen. Nebel im heißen Bad. Der Spiegel ist beschlagen. Himmel, Höllenhuren. Kein Gesicht.

Freier Tag. Kopf. Kehle. Kotz. Es kommt nicht hoch. Der Hauptstrang liefert Leben. Gefederte Wohnung. Spuren bis ins Bad. Leichte Risse im Spiegel. Aber das wollüstige Raubtier ist darin immer noch zu erkennen. Niemand hält mich auf. Niemand macht mir etwas vor. Kalte Kanne. Kaffee. Kuchen. Danach geht das Miau brav ins Körbchen. Make-Up tut Wunder. Schöner Schwan. Weiße Bestie. Wut. Harte Klänge in stereotyper Monotonie. Der neue Geist hat ausgedient. Es ist so unwiderstehlich vorhersehbar. Trink Schwesterlein Trink. Glaubst ihr ernsthaft ich hätte die Wahl? Wo ist der Spiegel? Wo bin ich?

Am Samstag kommt das Samt. Ist das wirklich meine Hand? Das samt auf vier kuscheligen Samtpfötchen stupst mich an und schnurrt. Ich hab es nicht verdient geliebt zu werden. Liebe ist bedingungslos. Gott ist ein Arschloch, dass ins Universum scheißt! Auf dem Boden neben mir liegt eine Schallplatte für die ich mich schäme. Der Sänger hat sich leider nicht das Leben genommen. Und das obwohl er nicht einmal singen kann. Das Samt erobert die Küche. Miau. Dieser Kampf ist noch nicht entschieden. Katerkonter. Das Samt verreckt. Drecksvieh. Mehr. Mehr. Mehr Schallplatten, Schwäne und schwer verdauliche Filme. Magische Musik. Mord. Medusa schenkt ein. Schlangenköpfe schleudern Kelche. Flaschen. Federn. Vierfüßiges Stadium. Sterne Sterben . Das ist mein Universum. Hier hat Gott nichts zu suchen. Spiegel? Ich schlage hinein. Riss. Scherben. Kaleidoskop. Tausend Egos aber nur ein Zustand. Schluss jetzt!

Uranos strahlt. Gayas Mutterleib wirft mich zurück ins Leben. Ich kann nicht mehr! Ach ist das schön gemütlich. Ein Dromedar mit Kamelkomplex. „Schön das du da bist Kamel.“ „Oh diese Leere“, sagt das Dromedar, „Ein wirklich hartes Kamelleben“. „Aber du hast nur einen Hocker“. „Du lügst“. „Doch. Soll ichs dir beweisen?“. Das Dromedar schweigt. Spiegel. Splitter. Scherben. „Ich habe heute sogar tausend Höcker“; sagt das Dromedar. „Gut. Dann bist du eben ein Kamel.“

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